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Psychologisches Institut Entwicklungspsychologie: Erwachsenenalter

Smartphones: Fluch oder Segen?

von Josua Schmeitzky


„Die Smartphone-Revolution wird unterschätzt.“
Marc Andreessen (Gründer von Netscape)

„Technologie verändert unsere Welt mehr als je zuvor. Der Katalysator dafür ist nun das Smartphone.“
Larry Rosen (Psychologe)

Diese Aussagen führender Technologieexperten sind keine Übertreibungen. Neueste Untersuchungen gehen von einer durchschnittlichen Smartphonegebrauchsrate von 44.6% in 47 Ländern aus (Stand 2013). Smartphones sind kein Nischenprodukt mehr sondern gelten für viele als alltägliche und unverzichtbare Gebrauchsgegenstände. Aufgrund der Schrittweisen Einführung dieser neuen Technologie ist uns gar nicht bewusst geworden, wie stark unser Alltag durch Smartphones in den letzten 10 Jahren verändert wurde. Wie komme ich am schnellsten von A nach B? Regnet es heute Abend noch? Was machen meine Freunde? Wie hat Roger Federer gespielt? All diese Fragen können wir bequem und spontan unserem Smartphone stellen. Ach ja, fotografieren, Musik hören und fernsehen kann man auch damit. Für viele ist daher der Griff nach dem Smartphone die erste und letzte Handlung ihrer täglichen Routine. So sind sogenannte „Smartphonezombies“, Personen die auch im öffentlichen Bereich ihren Blick kaum von ihrem Smartphone abwenden, keine Seltenheit mehr. Eine Studie zu diesem Thema kam zum Schluss, dass Smartphonenutzer im Durchschnitt 34-mal pro Tag auf ihr Smartphone schauen. Der Grund dieser intensiven Nutzung des Smartphones ist nicht alleine auf Benachrichtigungen zurückzuführen, viel eher handelt es sich hierbei um Gewohnheit.

Der Gebrauch von Smartphones scheint also ein zweischneidiges Schwert zu sein. Die Möglichkeit jederzeit online zu gehen führt dazu, dass wir einerseits besser informiert sind und uns in Wartesituation ablenken können. Andererseits kann dies auch zu zwanghaftem Verhalten führen, welches wiederum zu Schlafstörungen, Depression und Stress führen kann. Dieser Sachverhalt, Stress basierend auf der Unfähigkeit neue Technologie in einem gesunden Masse zu nutzen, wird auch mit dem Begriff „Technostress“ beschrieben. Im Fall des Smartphone entsteht Stress aufgrund einer durch zwanghafte Nutzung hervorgerufene Informations- und Kommunikationsüberlastung.

Wir laufen jedoch nicht alle im gleichen Ausmass Gefahr eine zwanghafte Smartphonenutzung zu entwickeln und somit an Technostress zu leiden. So tendieren beispielweise Personen mit einer hohen Selbstwirksamkeitsüberzeugung in einem geringeren Ausmass zu zwanghafter Smartphonenutzung. Der Grad der Selbstwirksamkeitsüberzeugung beschreibt inwiefern man daran glaubt, durch sein eigenes Handeln sein eigenes Schicksal zu beeinflussen. Personen mit einer geringen Selbstwirksamkeitsüberzeugung glauben, dass ihr Leben vor allem von äusseren Faktoren bestimmt wird und ihr eigenes Handeln kaum Auswirkungen auf ihre Zukunft hat. Erfolg und Misserfolg haben aus dieser Perspektive mehr mit Glück oder Pech zu tun als mit der eigenen Person. Diese Personen haben daher auch eine geringe Motivation ihr Leben in die eigene Hand zu nehmen. In Bezug auf die Smartphonenutzung fehlt diesen Personen daher der Wille auf Kommunikation und Informationszugang zu verzichten.

Neben der Selbstwirksamkeitsüberzeugung gibt es aber auch noch andere Persönlichkeitsmerkmale, die einen Einfluss auf die Smartphonenutzung haben. Für Personen mit sozialen Ängsten ist das Smartphone ein idealer Weg direkte soziale Interaktionen zu umgehen. Das Ersetzen von sozialen Interaktionen durch den Gebrauch des Smartphones wiederum erhöht die Wahrscheinlichkeit zwanghafter Smartphonenutzung. Dieser Zusammenhang von sozialen Ängsten und zwanghafter Smartphonenutzung scheint jedoch nur bei Frauen zu bestehen. Die Ursache dieses Geschlechterunterschiedes liegt in der unterschiedlichen Nutzung von Smartphones. Im Gegensatz zu Frauen nutzen Männer ihre Smartphones eher für soziale Vernetzung in Bezug auf die Arbeit. Frauen hingegen nutzen Smartphones für soziale Vernetzung im Allgemeinen.

Materialismus ist ein weiteres Persönlichkeitsmerkmal, das zu zwanghafter Smartphonenutzung führen kann. Da materialistische Personen ihren materiellen Besitz als ausgesprochen wichtig für ihr Leben und ihre Identität erachten, ist es nicht verwunderlich, dass diese Personen die neuesten Smartphonemodelle als Meilensteine ihrer Selbstverwirklichung ansehen. Hoch materialistische Personen entwickeln daher auch eine emotionale Beziehung zu ihrem Smartphone, was dann schnell zu zwanghaftem Verhalten führen kann.

Das Risiko eine zwanghafte Smartphonenutzung zu entwickeln wird also unter anderem von Persönlichkeitsfaktoren wie einer geringen Selbstwirksamkeitsüberzeugung, starken sozialen Ängsten und einem ausgeprägten Materialismus erhöht. Dies ist nicht überraschend, da diese drei Persönlichkeitsfaktoren auch mit anderen problematischen Verhaltensweisen (z. B. Drogen- und Alkoholkonsum) in Verbindung gebracht werden können. Es scheint also, dass das Smartphone nur für einen gewissen Teil der Bevölkerung als Gefahrenquelle einzustufen ist. Unklar ist jedoch, ob die Auswirkungen von zwanghafter Smartphonenutzung schlimmer sind als andere Problemverhalten im Zusammenhang mit moderner Technologie (z. B. Internetsucht). Da die Forschung zum Smartphonegebrauch erst in den Kinderschuhen steckt, ist es also schwierig praktisch relevante Schlussfolgerungen zu ziehen. So oder so, es kann auf jeden Fall nicht schaden, das Smartphone öfters in Ruhe zu lassen.

Literaturangaben:
Lee, Y. K., Chang, C. T., Lin, Y., & Cheng Z.H. (2014). The dark side of smartphone usage: Psychological traits, compulsive behavior and technostress. Computers in Human Behavior, 31, 373-383.

Bitte beachten Sie, dass diese Studie nicht in unserem Labor durchgeführt wurde. Wenn Sie an einer Studie in unserem Labor teilnehmen möchten, finden Sie dazu hier weitere Informationen.
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