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Psychologisches Institut Entwicklungspsychologie: Erwachsenenalter

«Ich bin so schön, ich bin so toll… und jetzt noch schlechter drauf!»

von Dr. des. Christine Seiger

Sie fühlen sich mies? Dann gehen sie zum Spiegel, lächeln sie sich an und sagen Sie laut: «Ich bin liebenswert!» und «Ich bin hübsch!» Solche so genannten positiven Selbstgespräche oder Affirmationen, salopp gesagt: sich selbst gut zureden, sollen helfen, Stimmung und Selbstwert zu heben.

Ob solche bekräftigenden Sätze für sich genommen tatsächlich helfen, war bislang jedoch nicht wissenschaftlich nachgewiesen. Grund genug für Joanne Wood, Elaine Perunovic und John Lee von den Universitäten Waterloo und New Brunswick den Spiess sogar umzudrehen und zu untersuchen, ob solche Affirmationen vielleicht schaden können. Und tatsächlich: «Positive Sätze über sich selbst zu wiederholen mag bestimmten Personen helfen, aber geht gerade bei denen nach hinten los, die sie am dringendsten bräuchten», schlussfolgern die Forscher im renommierten Fachmagazin Psychological Science. Gerade für Personen mit geringem Selbstwertgefühl können diese positiven Selbstaffirmationen eher als ein Dämpfer wirken.

Die Forscher beleuchten das Phänomen in drei verschiedenen Studien. Zunächst wurden Studierende gefragt, ob und wann sie positive Selbstgespräche nutzen: Vor Prüfungen und Präsentationen redeten sich die Befragten besonders häufig gut zu sowie auch nach negativen Ereignissen.

Dann führten die Forscher zwei Experimente durch, um zu untersuchen, wie es sich auswirkt, wenn Personen mit hohem und niedrigem Selbstwertgefühl sich selbst sagen «Ich bin ein liebenswerter Mensch». Dieser Satz wurde ausgewählt, weil er in Selbsthilfebüchern besonders häufig vorkommt. Die Experimente zeigten, dass positive Selbstgespräche bei Menschen mit einem niedrigen Selbstwertgefühl besonders stark wirken – allerdings nicht in die erwünschte Richtung: Sie fühlen sich hinterher schlechter als zuvor! Weder ihre Stimmung verbesserte sich, noch was sie über sich selbst dachten. Bei ohnehin gutem Selbstwert hebten sich zwar Stimmung und Selbstwert, allerdings nur sehr wenig.

Ein Grund für dieses Ergebnis könnte sein, dass ein Satz wie «Ich bin ein liebenswerter Mensch» bei Menschen mit niedrigem Selbstwert gleich Gedanken an Gegenbeweise aufkommen lässt. Deshalb sollte im dritten Experiment ein Teil der Probandinnen und Probanden sowohl darüber nachdenken, inwieweit der Satz stimmt als auch, inwieweit er nicht stimmt. Dieser Teil fühlte sich anschliessend auch tatsächlich besser als diejenigen, die sich nur auf das Positive konzentrieren sollten.

Entgegen den Predigten vieler Selbsthilfebücher sind die Wissenschaftler von diesen Resultaten nicht überrascht, passen sie doch zu Ergebnissen aus anderen Forschungsbereichen. Beispielsweise konnten Untersuchungen zum Ändern von Einstellungen zeigen, dass Nachrichten, die ohnehin schon nahe an den eigenen Einstellungen liegen, überzeugender sind als jene, die mit der eigenen Position kaum übereinstimmen. Letztere Botschaften werden häufig vehement zurückgewiesen. Positive Selbstgespräche könnte man auch als solche Überzeugungsversuche verstehen – und die sind natürlich umso erfolgreicher, je besser sie zur vorhandenen Einstellung passen. Wer sich selbst also nicht für liebenswert hält, sich das aber trotzdem einreden will, hält sich hinterher dann womöglich für noch weniger liebenswert als zuvor.

Wood, Perunovic und Lee raten davon ab, sich allumfassend positive Sätze zu sagen. Stattdessen empfehlen sie «moderat» positive Sätze, die einen kleineren Bereich betreffen, etwa «Ich kann tolle Geschenke auswählen» statt «Ich bin eine grosszügige Person».


Quelle: Wood, J.V., Perunovic, W.Q.E., & Lee, J.W. (2009). Positive self-statements: Power for some, peril for others. Psychological Science, 20(7), 860–866.

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