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Psychologisches Institut Entwicklungspsychologie: Erwachsenenalter

Langeweile, na und?

von Brian Cardini

 

Wer kennt es nicht: das Gefühl der Langeweile. In der Psychologie wird Langeweile definiert als unangenehmer Gefühlszustand, der in repetitiven, bedeutungslosen oder unterfordernden Situationen entstehen kann. Langeweile ist weit verbreitet und tritt häufig auf, und die Folgen davon sind meistens negativ. Beispielsweise konnten diverse Studien zeigen, dass Langeweile zu einer tieferen Arbeitszufriedenheit führen, sich negativ auf den Bildungserfolg auswirken oder aber auch ungesundes Konsumverhalten herbeiführen kann. Des Weiteren liefert die Forschung Hinweise dafür, dass Langeweile längerfristig mit depressiver Verstimmung, aggressivem Verhalten, Essstörungen und Suchtverhalten zusammenhängen kann.

Führt Langeweile aber zwangsläufig zu solchen negativen Konsequenzen? Die Forschenden Wijnand van Tilburg vom King’s College in London und Eric Igou von der Limerick Castletroy Universität in Irland sind der Ansicht, dass Langeweile durchaus auch wünschenswerte Verhaltensweisen hervorrufen kann. Sie argumentieren, dass Langeweile eine wichtige regulatorische Funktion erfüllt: Wenn uns langweilig ist, signalisiert uns das, dass die momentane Tätigkeit an Bedeutung verloren hat. Dies wiederum motiviert uns, nach alternativen Beschäftigungen und Zielen zu suchen, die wir für bedeutungsvoller halten. Bedeutungsvolle Ziele sind beispielsweise solche, die unser Streben nach Zugehörigkeit unterstützen. Prosoziales Verhalten, also all diejenigen Handlungen, die bewusst und freiwillig ausgeführt werden und darauf abzielen, einer anderen Person etwas Gutes zu tun, werden oft als bedeutungsvolle Handlungen genannt, die das Zugehörigkeitsgefühl verstärken. Aus diesem Grund stellten Tilburg und Igou die Hypothese auf, dass Langeweile zu mehr prosozialem Verhalten führt.

Um diesen Sachverhalt zu untersuchen, baten die Forschenden 31 Studierende, entweder eine langweilige Aufgabe am Computer zu lösen (Langeweile-Gruppe) oder während derselben Zeitspanne nichts zu tun (Kontrollgruppe). Anschliessend wurden alle Teilnehmenden gebeten, einen fiktiven Geldbetrag an eine Wohltätigkeitsorganisation zu spenden. Es stellte sich heraus, dass diejenigen Personen, die zuvor die langweilige Aufgabe gemacht hatten, signifikant höhere Geldbeträge spendeten (im Mittel 13 Euro), während die Personen aus der Kontrollgruppe deutlich weniger spendabel waren (im Mittel 6 Euro). Die Ergebnisse dieser Studie sind für Tilburg und Igou ein Beleg dafür, dass Langeweile in der Tat prosoziales Verhalten (in diesem Fall definiert als eine fiktive Spende) fördern kann.

Diese Ergebnisse lassen allerdings die Frage offen, ob Langeweile nur dann zu mehr prosozialem Verhalten führt, wenn dieses auch tatsächlich als bedeutsam wahrgenommen wird. Wenn Langeweile also nur deshalb zu einer grösseren Spendebereitschaft führt, weil Personen nach einer bedeutungsvollen Tätigkeit suchen, dann sollte Langeweile nur bei bedeutungsvollen Wohltätigkeitsorganisationen zu mehr Spenden führen. Genau dies wollten die Autoren in einer zweiten Studie untersuchen. Dafür baten sie 88 Studierende, wieder eine langweilige Aufgabe am Computer zu lösen. Dieses Mal mussten alle Personen die Aufgabe bearbeiten. Die eine Hälfte der Teilnehmenden musste jedoch doppelt so lange an der Aufgabe arbeiten als die andere Hälfte. Dadurch sollte gewährleistet werden, dass die erste Gruppe deutlich mehr Langeweile verspürt als die letztere. Anschliessend wurden alle Personen erneut gebeten, einen fiktiven Geldbetrag an eine Wohltätigkeitsorganisation zu spenden. Zusätzlich wurde nun allerdings variiert, wie effizient die Hilfsorganisation war: Der einen Hälfte der Probanden wurde gesagt, dass die Hilfsorganisation sehr effizient in der Weiterleitung der Spendengelder sei, während der anderen Hälfte gesagt wurde, dass die Organisation hierin eher ineffizient sei. Hiermit erhofften sich die Autoren, die Bedeutsamkeit der Hilfsorganisation zu variieren. Es stellte sich heraus, dass diejenigen Personen, die länger an der langweiligen Aufgabe arbeiten mussten, in beiden Szenarien spendabler waren als die anderen Personen. Den mit Abstand grössten Geldbetrag (im Mittel 14 Euro) spendeten diese Personen allerdings an die Organisation, die als sehr effizient beschrieben worden war. Dieselben Personen spendeten im Mittel nur 8 Euro an die eher ineffiziente Hilfsorganisation. Im Vergleich dazu spendeten diejenigen Personen, die nur halb so lange an der langweiligen Aufgabe gearbeitet hatten, im Mittel nur 4 Euro an die effiziente und 5 Euro an die ineffiziente Hilfsorganisation. Dieser Unterschied war allerdings nicht signifikant.

Tilburg und Igou schlussfolgern, dass Langeweile tatsächlich prosoziales Verhalten fördern kann, und zwar insbesondere dann, wenn das Verhalten als bedeutsam wahrgenommen wird. Die Autoren erwähnen allerdings, dass die beiden Studien mit einer relativ kleinen Stichprobe durchgeführt wurden. Auch untersuchten diese Studien keine direkten Verhaltenseffekte, sondern beschränkten sich auf fiktive Szenarien. Ebenfalls wäre es interessant gewesen, zu untersuchen, inwiefern die gelangweilten Teilnehmer ihre vergleichsweise grosse Spende nachträglich bereuen, und wie sich das Spenden kurz- als auch langfristig auf die Stimmung auswirkt. Zukünftige Studien sollten diese Limitationen adressieren, um den Zusammenhang zwischen Langeweile und prosozialem Verhalten tiefgründiger zu untersuchen.

 

Literaturangaben:

Van Tilburg, W. A. P., & Igou, E. R. (2017). Can boredom help? Increased prosocial intentions in response to boredom. Self and Identity, 16, 82-96.

 

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