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Psychologisches Institut Entwicklungspsychologie: Erwachsenenalter

Ist Rache süss?

von Brian Cardini

 

«Das wird er mir büssen!» ist ein Gedanke, den wir alle wohl bereits etliche Male gehegt haben. Tatsächlich gehört der Wunsch nach Vergeltung zu den grundlegendsten Reaktionen von uns Menschen. Ob soziale Ungerechtigkeiten, Terroranschläge oder Glaubenskriege – Menschen reagieren auf wahrgenommene Verletzungen von Werten und Normen oft mit Wut und Rachegelüsten. Doch was passiert eigentlich, nachdem wir Rache genommen haben? Was fühlen und denken wir? Sind wir glücklich, wenn eine Person, die uns Unrecht getan hat, scheitert? Fühlen wir uns vielleicht schuldig, weil wir der Person dieses Unglück gewünscht haben? Oder spornt uns ein solches Malheur erst richtig an, sodass wir der Person noch schrecklicheres Ungemach wünschen? Kurzum: Ist Rache eigentlich bitter oder süss? Die Forschenden Fade Eadeh, Stephanie Peak und Alan Lambert von der Washington University gingen dieser Frage in einer Reihe von empirischen Studien auf den Grund.

Im ersten Experiment baten Eadeh und Kollegen 245 amerikanische Erwachsene, entweder einen Artikel über die Gefangennahme und den Tod Osama bin Ladens (Rache-Gruppe) oder einen neutralen Artikel über die Geschichte der Olympischen Spiele (Kontrollgruppe) zu lesen. Frühere Forschung konnte zeigen, dass der Artikel über den Tod Osama bin Ladens von der Mehrheit der amerikanischen Gesellschaft als Racheakt bewertet wird. Im Anschluss wurden die Probanden gebeten, sämtliche Gefühle und Gedanken aufzuschreiben, die während dem Lesen aufgekommen waren. Zum Schluss schätzten die Probanden ihre momentane Stimmung ein. Die geschriebenen Texte der Personen werteten die Autoren mit einem validierten semantischen Analyseprogramm aus. Dieses Programm erlaubt es zu untersuchen, mit welcher Häufigkeit gewisse Wörter aus einer bestimmten Kategorie in einem Text auftreten. Für diese Studie waren die Autoren besonders daran interessiert herauszufinden, wie häufig positive und negative Stimmungswörter in den Texten vorkamen. Es stellte sich heraus, dass Personen in der Rachegruppe im Schnitt mehr positive als auch mehr negative Stimmungswörter in ihren Texten benutzt hatten als die Personen in der Kontrollgruppe. Interessanterweise spiegelte sich dieses Muster aber nicht in der Stimmung der Personen nach dem Texteschreiben wider: Die Rachegruppe berichtete im Vergleich zur Kontrollgruppe über eine deutlich schlechtere Stimmung.

Weshalb vermochte die semantische Analyse einen Anstieg an positiven und negativen Stimmungswörtern in der Rachegruppe zu registrieren, während dieselben Personen im Nachhinein aber nur über eine schlechtere Stimmung berichteten? Um eine Antwort auf diese Frage zu erhalten, führten Eadeh und Kollegen dasselbe Experiment erneut mit 196 amerikanischen Personen durch. Dieses Mal fragten die Autoren aber zusätzlich direkt, wie sehr die Personen gewisse Emotionen wie Freude, Trauer, Wut, etc. während dem Lesen verspürt hatten. Es zeigte sich erneut, dass die Personen in der Rachegruppe im Schnitt mehr positive und mehr negative Stimmungswörter benutzten. Auch berichtete die Rachegruppe über mehr positive und negative Emotionen während des Lesens im Vergleich zu der Kontrollgruppe. Interessanterweise befand sich die Rachegruppe am Ende des Experiments jedoch nach wie vor in einer schlechteren Stimmung.

Ist Rache nun also bitter oder süss? Eadeh und Kollegen argumentieren aufgrund ihrer Ergebnisse, dass Rache in der Tat bittersüss sein kann. Rache könne durchaus positive als auch negative Gefühle in uns auslösen. Die Autoren diskutieren weiter, dass Messinstrumente der allgemeinen Stimmungslage in manchen Situationen zu kurz greifen können. Es sei wichtig, solche Messinstrumente mit anderen zu ergänzen, die gezielter spezifische Emotionen über eine bestimmte Situation abfragen. In diesen Studien konnten die Autoren zeigen, dass die Stimmung der Rachegruppe am Ende der Experimente zwar deutlich schlechter war als die der Kontrollgruppe – die Rachegruppe aber trotzdem während des Lesens mehr positive als auch negative Emotionen berichtet hatte. Dies legt nahe, dass sich negative Emotionen stärker auf unsere Stimmung auswirken können als positive. Zukünftige Forschung wird aufzeigen müssen, wie sich einzelne Personen in ihren Rachereaktionen unterscheiden, und wie diese individuellen Unterschiede wiederum mit anderen Persönlichkeitsmerkmalen zusammenhängen.  

 

Literaturangaben:

Eadeh, F. R., Peak, S. A., & Lambert, A. J. (2017). The bittersweet taste of revenge: On the negative and positive consequences of retaliation. Journal of Experimental Social Psychology, 68, 27-39.

 

Bitte beachten Sie, dass diese Studie nicht in unserem Labor durchgeführt wurde. Wenn Sie an einer Studie in unserem Labor teilnehmen möchten, finden Sie dazu hier weitere Informationen.
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