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Psychologisches Institut Entwicklungspsychologie: Erwachsenenalter

Was hören schlafende Babys?

von Dr. Jana Nikitin


Haben Sie sich auch schon gefragt, was Babys eigentlich im Schlaf von ihrer Umgebung wahrnehmen und ob sich das irgendwie auf sie auswirkt? Genau dieser Frage sind Forscher der Universität Oregon nachgegangen. Und sie haben Verblüffendes gefunden: nicht nur hören schlafende Babys, was um sie herum passiert, sondern sie reagieren darauf.

Wenn Babys schlafen, lassen sie sich dem Anschein nach von niemandem und nichts beeindrucken. Ob die Geschwister nebenan spielen, die Eltern kochen oder der Fernseher läuft scheint den schlafenden Kleinen herzlich egal zu sein. Der Schein kann aber trüben. Doch wie untersucht man, was Babys wahrnehmen, wenn sie schlafen?

Was früher unvorstellbar war, ist seit kurzem möglich: man kann schlafende Babys einer funktionalen Magnetresonanztomographie (fMRI) unterziehen. Bei diesem Verfahren werden aktivierte Hirnareale anhand von erhöhtem Blutfluss identifiziert und bildlich dargestellt. Das schlafende Baby liegt in der „Röhre“ und man kann untersuchen, was sich in seinem Gehirn abspielt, wenn von aussen Geräusche kommen. Alice Graham und ihre Kollegen haben bei zwanzig Babys im Alter von 6 bis 12 Monaten auf diese Weise die Gehirnaktivität gemessen. Dabei haben die Forscher einen erwachsenen Mann sinnlose Wörter vorlesen lassen. Manche mit einer wütenden, manche mit einer fröhlichen und manche mit einer neutralen Stimme. Alle Babys reagierten auf die unterschiedlichen Emotionen in der Stimme mit der Aktivierung bestimmter Gehirnareale. Sie haben also die Emotionen wahrgenommen.

Was aber noch interessanter war, waren die Unterschiede zwischen den Kindern in ihren Reaktionen. Hatten die Kinder Eltern, die zuhause öfters stritten, war ihre Gehirnaktivität deutlich erhöhter bei der wütenden als bei der neutralen Stimme. Das war viel weniger der Fall bei Kindern, deren Eltern zuhause selten oder gar nicht stritten. Bei den aktivierten Gehirnarealen handelte es sich um solche, die mit Stressverarbeitung verbunden sind. Diejenigen Kinder also, die zuhause mehr Stress in Form vom Elternkonflikt erlebten, reagierten auf wütende Stimmen sogar in ihrem Schlaf!

Wissenschaftler wissen schon seit langem, dass sich frühkindlich erlebter Familienstress negativ auf spätere Entwicklung des Kindes auswirkt, sei es in Form von Problemen in der Schule, in sozialen Beziehungen oder in der Regulation von negativen Emotionen. Die Studie von Graham und Kollegen ist aber die erste, die zeigt, dass schon relativ moderate Stresserfahrungen in der Familie zu Veränderungen in der Gehirnreaktivität auf Stressreize früh im Leben führen. Streitenden Eltern kann man also nur empfehlen: wenn sich ein Streit anbahnt, Türe zumachen und sich leise anschreien. Kinder hören alles. Sogar im Schlaf!

Quelle: Graham, A. M., Fisher, P. A., & Pfeifer, J. H. (2013). What sleeping babies hear: A functional MRI study of interparental conflict and infants’ emotion processing. Psychological Science, published online 28 March 2013.

Bitte beachten Sie, dass diese Studie nicht in unserem Labor durchgeführt wurde. Wenn Sie an einer Studie in unserem Labor teilnehmen möchten, finden Sie dazu hier weitere Informationen.
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