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Psychologisches Institut Entwicklungspsychologie: Erwachsenenalter

Wann sind Menschen am kreativsten?

von Dr. Miriam Depping


Meist verbinden wir Kreativität mit künstlerischem Ideenreichtum. Aber der Begriff «Kreativität» taucht auch dort auf, wo man ihn zunächst nicht vermuten würde. Zum Beispiel bieten Berufsausbildungs- und Weiterbildungszentren «Kreativitäts-Trainings» an. In Stellenanzeigen wird Kreativität zum Teil als wichtige Qualifikation aufgeführt. Dabei sind diese Stellenanzeigen längst nicht nur für künstlerische Berufe. Kreativität beschränkt sich offenbar nicht nur auf künstlerisches Schaffen, sondern bezieht sich auch auf andere Bereiche. Warum spricht man in so unterschiedlichen Bereichen von Kreativität? Was ist die Fähigkeit «kreativ zu sein» genau? Psychologen gehen davon aus, dass der Kern im «kreativen Denken» liegt. Kreatives Denken ist die Fähigkeit, vollkommen neue Problemstellungen durch Anwenden erworbenen Wissens zu lösen. Immer wenn Probleme und Anforderungen auftauchen, die noch nie in genau dieser Weise vorgekommen sind, sind neue, kreative Herangehensweisen gefragt.

Kreativ zu sein ist in Ihrem Alltag also immer wieder gefordert und auch zentral für Kunst, Politik, Wirtschaft und Wissenschaft. Kreativität scheint also eine sehr wünschenswerte Eigenschaft zu sein. Daher ist es wichtig herauszufinden, wann Menschen besonders kreativ sind. Welche Einflussfaktoren steigern die Kreativität?

In der psychologischen Forschung wurde bereits eine Vielzahl von möglichen Einflussfaktoren auf Kreativität untersucht. Zu diesen Faktoren zählen beispielsweise die Gefühlslage sowie auch der Einfluss der wahrgenommenen Entfernung einer Information. Es wird angenommen, dass die gefühlte Distanz zu einer Information beeinflusst, wie diese Information gespeichert und genutzt wird. Dabei können zum Beispiel Unterschiede in der Art der Nutzung von Informationen durch die zeitliche Entfernung verursacht werden, also etwa wie weit ein Ereignis in der Vergangenheit liegt, oder wie weit ein Ereignis in der Zukunft liegt. Es konnte bereits ein Zusammenhang zwischen solcher zeitlicher Distanz und kreativem Denken nachgewiesen werden. Eine Aufgabe, die zeitlich weiter weg zu sein scheint, wird kreativer gelöst, als wenn diese als zeitlich näher wahrgenommen wird.

In neuen Studien untersuchten Forscher der Universität Indiana in den USA den Einfluss von räumlicher Distanz auf kreative Lösungsprozesse. In mehreren Studien wurden den Teilnehmern verschiedene Aufgaben als entweder räumlich nah oder weiter weg dargestellt. Um die Kreativität zu erfassen, wurden Probanden in einer Aufgabe gebeten, so viele Transportmöglichkeiten wie möglich zu nennen. Wenn Sie selbst einmal probieren, so viele Transportmöglichkeiten wie möglich zu nennen, wird Ihnen auffallen, dass Sie zunächst an die Transportmöglichkeiten denken werden, die Ihnen am geläufigsten sind. Dazu gehören wahrscheinlich Velo, Auto, Flugzeug, Zug und Bus. Während diese Aufgabe zunächst sehr leicht ist, wird es dann schwieriger, weitere Transportmöglichkeiten zu finden. Um möglichst viele weitere zu finden, werden Sie Ihre Suche auf weniger nahe liegende Möglichkeiten ausweiten müssen. Dies erfordert, etwas «um die Ecke» zu denken. Dies ist eine wichtige Vorraussetzung für kreatives Denken.

In einer anderen Aufgabe wurden die Teilnehmenden gebeten, eine Reihe Problemlöseaufgaben zu lösen. Sie mussten beispielsweise überlegen, wie ein Gefängnisinsasse mit einem Seil fliehen kann, das nur halb so lang ist wie die Distanz von seinem Fenster zum Boden. Auch in dieser Aufgabe ist es notwendig, eine etwas unkonventionelle Strategie zu finden.

Um den Einfluss der räumlichen Distanz zu untersuchen, wurden die Aufgaben verschiedenen Teilnehmenden unterschiedlich dargestellt. So wurde den einen Teilnehmern zum Beispiel gesagt, dass die Aufgabe im Auftrag einer Forschungsinstitution durchgeführt werde, die in der gleichen Stadt ansässig ist. Den anderen Teilnehmern wurde gesagt, dass der Auftragsgeber in einem anderen Staat der USA, mehrere tausend Kilometer entfernt sei. Um die räumliche Distanz der Informationen unterschiedlich darzustellen, wurde also variiert, woher die Aufgabe angeblich stammt. Die Forscher konnten zeigen, dass die Art der Problemdarstellung tatsächlich die kreative Leistung der Lösung der Aufgaben beeinflusste. Teilnehmer, für die die Aufgabe weiter weg schien, hatten mehr Ideen, waren flexibler und origineller als diejenigen, die die Aufgabe als räumlich näher präsentiert bekamen. Auch die Problemlösungsleistung war bedeutend besser, wenn die Ursprungsquelle als weiter weg wahrgenommen wurde.

Diese Forschungsbefunde scheinen dafür zu sprechen, in Bereichen, die kreative Lösungen erfordern, internationale Kooperationen zu unterstützen – so zum Beispiel in der Forschung.



Quelle: Jia, L., Hirt, E., & Karpen, S. (2009). Lessons from a faraway land: The effect of spatial distance on creative cognition. Journal of Experimental Social Psychology, 45, 1127–1131.



Bitte beachten Sie, dass diese Studie nicht in unserem Labor durchgeführt wurde. Wenn Sie an einer Studie in unserem Labor teilnehmen möchten, finden Sie dazu hier weitere Informationen.

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